Medienphilosophie

Marcus Burkhardt, Mike Sandbothe

In: Handbuch Medienwissenschaft, edited by Jens Schröter, 377–83. Stuttgart: J.B. Metzler, 2014.

Das Kompositum Medienphilosophie hat sich Ende der 1990er Jahren in der deutschsprachigen Forschung durchgesetzt. Die Bezeichnung steht für ein heterogenes Ensemble von Forschungsprogrammen, die an der Schnittstelle von Medien(wissenschaften) und Philosophie arbeiten. Mit dem Begriff ist zugleich die kulturpolitische Frage verbunden, ob und wenn ja, in welcher Gestalt, die Etablierung einer eigenständigen Disziplin namens Medienphilosophie sinnvoll wäre. Verhandelt wird vor diesem Hintergrund auch die wissenschaftsphilosophische Frage nach den zeitdiagnostischen Aufgabenfeldern der Kultur- und Medienwissenschaften sowie die metaphilosophische Frage nach dem sich wandelnden Selbstverständnis von praktischer und theoretischer Philosophie im 21. Jahrhundert.

Nachdem sich Medienphilosophie zunächst in der deutschsprachigen Fachliteratur etabliert hat, gewinnt der Begriff gegenwärtig auch in anderen Sprachen an wissenschaftlicher Bedeutung. Den Auftakt der deutschen Medienphilosophiediskussion stellt die 1992 von Rudolf Fietz veröffentlichte Studie Medienphilosophie: Musik, Sprache und Schrift bei Friedrich Nietzsche dar (Fietz, 1992). Darauf folgten eine Reihe weiterer deutschsprachiger Monographien und Aufsatzsammlungen, bei denen das Wort Medienphilosophie im Titel steht (Funken 1996; Hartmann 2000; Sandbothe 2001; Münker et al. 2003; Sandbothe/Nagl 2005; Konitzer 2006; Margreiter 2007; Engell/Siegert 2010). Eine frühe und wichtige Scharnierstelle zur internationalen Medienphilosophie-Debatte bildet das Buch Imagologies: Media Philosophy von Mark Taylor und Esa Saarinen (1994). Sowohl Fietz als auch Taylor/Saarinen stehen am Anfang einer bemerkenswerten Begriffs- und Publikationskonjunktur, deren Horizonte, Themen und Zugänge zum Teil weit über die Gründungsdokumente hinausweisen.

Ursprünge der Medienphilosophie

Das Aufkommen von Medienphilosophie lässt sich als Antwort auf die globalen Veränderungen betrachten, unter deren Eindruck es selbstverständlich geworden ist, unsere Gesellschaft als Informations- und Mediengesellschaft bzw. unsere Kultur als Medienkultur zu beschreiben. In diese Richtung weist Stefan Webers Plädoyer für eine empirische Medienepistemologie, die er als „Philosophie der (Massen‑)Medialisierung" (Weber in Münker et al. 2003, 178) entwirft. Der Begriff der Medialisierung zielt dabei auf eine Ausweitung massenmedialer Kommunikation, deren Effekte für die Konstruktion von Wirklichkeit theoretisch zu reflektieren und empirisch zu überprüfen sind (Weber in Münker et al. 2003, 176). Während Webers Verständnis von Medienphilosophie als Trendforschung sich vorrangig auf die Beobachtung eines quantitativen Bedeutungszuwachses von Massenmedien stützt, entdecken Andere in dem Siegeszug der in den 1990er Jahren noch als neu apostrophierten digitalen Medien in erster Linie einen qualitativen Umbruch, der tiefgreifende Transformationen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens nach sich zieht, welche nicht zuletzt auch die Stellung des Menschen in der Welt, die Erkennbarkeit dessen, was ist, und den Status von Wirklichkeit insgesamt betreffen.

Bedingt durch die rasante Fortentwicklung immer leistungsfähigerer Digitaltechnologien sind Computer mehr und mehr zu einem alltäglichen Bestandteil von Berufswelt und Privatleben geworden. Hinzu kommt die Ausbreitung des World Wide Web, mit dem die seit den 1960er Jahren diskutierte Idee des Internet als weltumspannendes Informations- und Kommunikationsnetz breitenwirksam realisiert wurde. Im Zuge der Digitalisierung wurde die auf Unilinearität beruhende Funktionslogik der Medienkultur des Gutenberg-Zeitalters durch einen auf höheren Graden von Interaktivität, Multimedialität, Hypertextualität und Virtualität basierenden Prozessmodus überformt und partiell ersetzt. Das Bedürfnis, diesen Wandel, der sich im Bereich der technischen Medien vollzogen hat, theoretisch auf seine Auswirkungen auf unser Denken, Wahrnehmen, Erfahren sowie Erkennen und praktisch auf die hieraus entstehenden Gestaltungspotenziale hin zu befragen, hat das Einsetzen einer philosophischen Auseinandersetzung mit Medien stimuliert (Taylor/Saarinen 1994; Hartmann 2000; Sandbothe 2001).

Alternativ bzw. parallel dazu kann Medienphilosophie auch als ausbalancierende Gegenbewegung zu der von Geoffrey Winthrop-Young als „German media theory" (Winthrop-Young 2008, 118) bezeichneten Tradition betrachtet werden. Diese hat seit Mitte der 1980er Jahre im Anschluss an die Arbeiten Friedrich Kittlers das Technische der Medien im Sinne eines medienhistorischen Apriori in den Vordergrund gerückt. Charakteristisch für diese Position ist ein spezifisch antiphilosophischer Gestus. Nicht mehr die auf Subjekt, Bewusstsein und Geist gerichtete Philosophie, sondern eine als Medienarchäologie verstandene Medientechnikforschung vermag dieser Auffassung zufolge die Lage angemessen in den Blick zu bringen, in der sich die Welt heute befindet (Kittler 1986, 3f.).

Der Rekurs auf die Materialität der Kommunikation wird hierbei zur medientechnischen Letztbegründung, welche der vermeintlichen Souveränität des Menschen einerseits und der Vorrangstellung der medial vermittelten Inhalte andererseits entgegengestellt wird (Filk et al. 2004, 44). Medienarchäologie beansprucht nicht nur die Deutungshoheit über Medien, sondern über die technische Konstruktion einer als transhuman konzipierten Determinante von Sein überhaupt. Diese zunächst von Außen an die Philosophie herangetragene Provokation wird durch die Medienphilosophiedebatte aufgegriffen und innerhalb des philosophischen Fachdiskurses auf produktive Weise nutzbar gemacht.

Die daraus resultierende Transformation der akademischen Philosophie wendet sich vor allem gegen die einseitige Fokussierung auf Sinn, Bedeutung und Funktion von (sprachlichen) Zeichen. Im medienphilosophisch erweiterten Fachhorizont erlangen „die nichtsinnhaften, materialen Bedingungen der Entstehung von Sinn, die stummen, prä-signifikativen Prozeduren der Signifikation, die ‚Nahtstelle' von Sinn/Nicht-Sinn" (Krämer 2008, 88f.) eine zentrale Stellung. Insofern stellt die von der technischen Medientheorie vollzogene Hinwendung zur Materialität der Kommunikation ein einflussreiches Korrektiv dar. Zugleich aber gilt, dass die meisten medienarchäologischen Ansätze einseitig technikdeterministisch argumentieren, weshalb Medienphilosophie stets auch als „eine programmatische Absetzbewegung zur ‚Medientheorie'" (Filk et al. 2004, 44) verstanden werden kann. Medienphilosophen erkennen die spezifische Relevanz der technischen Medienmaterialitäten für die Genese von Sinn und Bedeutung zwar an, interpretieren diese jedoch nicht als medientechnisches Apriori bzw. als technikmetaphysische Letztbegründung.

Konturen möglicher Medienphilosophien

Unter der Überschrift Medienphilosophie wird ein breit gefächertes Spektrum von theoretischen Problemkonstellationen und praktischen Aufgabenbestimmungen diskutiert (Münker et al., 2003; Margreiter, 2007). Die Debatte umfasst einerseits Positionen wie jene Elena Espositos, derzufolge es aus erkenntnistheoretischen Gründen gar keine Medienphilosophie geben kann (Esposito in Münker et al. 2003). Andererseits werden Auffassungen vertreten wie die von Lorenz Engell, demzufolge Medienphilosophie die von den Medien selbst hervorgebrachte Philosophie ist (Engell in Münker et al. 2003). Innerhalb des Gesamtspektrums der unterschiedlichen Selbstbeschreibungen von Medienphilosophie lassen sich stärker systematisch akzentuierte Forschungsprogramme von eher edukativ ausgerichteten Wissenspraktiken abheben. Während die systematischen Medienphilosophen grundlegende Fragen wie die nach der medialen Bedingtheit des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses ins Zentrum stellen (Krämer 2008), konzentrieren sich die bildenden Medienphilosophen auf politische Relevanzfragen, praktische Interessenszusammenhänge und demokratische Nützlichkeitshorizonte (Sandbothe 2001, 104f.).

Eine zentrale Bedeutung kann der Medienphilosophie auch im Kontext der Medienwissenschaften zukommen, insoweit sie als Dienstleisterdisziplin betrieben wird und zur Klärung von medienwissenschaftlichen Grundlagenfragen beiträgt. Vom kritischen Blick der Medienphilosophie erhofft sich etwa Barbara Becker „wichtige Impulse für die Deutung des Beobachtbaren" (Becker in Münker et al. 2003, 105). Zu den Grundlagenfragen der Medienwissenschaften gehört auch die Unklarheit darüber, was durch den Begriff Medium bezeichnet wird. Da die Arbeit an Begriffen zum Metier philosophischer Reflexion gehört, besteht eine der Kernaufgaben der Medienphilosophie in der Bestimmung des Medienbegriffs (Münker/Roesler 2008). Infrage steht aber auch das weiter reichende Problem, wie die Medialität der Medien zu denken ist. An die Stelle der Frage nach dem Was tritt hierbei die Frage nach dem Wie der Medien. Wie schreiben sich Medien in unser Selbst- und Weltverhältnis ein, wie bedingen sie das, was wir erfahren, erkennen, kommunizieren? Von dem Sachverhalt ausgehend, dass Medien keine passiven Werkzeuge sind, klärt Medienphilosophie darüber auf, wie Medien bedingen, was durch sie vermittelt wird (Krämer und Mersch in Engell/Siegert 2010).

Obwohl die Frage nach der Medialität der Medien von grundlegender Bedeutung ist, warnt Münker vor einer allzu großen Medienversessenheit der Medienphilosophie. Polemisch bringt er dies in der These zum Ausdruck, Medienphilosophie habe „es nicht mit Medien zu tun" (Münker in Münker et al. 2003, 18). Sich der Streitbarkeit dieser Behauptung durchaus bewusst, weist Münker auf eine weitere Dimension medienphilosophischer Reflexion hin. Medien sind nicht nur unmittelbar, sondern auch und gerade auf mittelbare Art und Weise für die Philosophie von Belang. Das ist der Fall, wenn durch die Etablierung neuer Medien philosophische Grundbegriffe problematisch werden. So sind die traditionellen Wirklichkeitsbegriffe zum Beispiel durch die mit Computern erzeugten Erfahrungs-, Handlungs- und Interaktionsräume in Frage gestellt geworden (Münker in Münker et al. 2003, 19f.). Medienphilosophie ist aus dieser Perspektive auf diejenigen begrifflichen Herausforderungen hin zu öffnen, die sich im philosophischen Vokabular, in unserer Alltagssprache und in den Grundbegriffen der wissenschaftlichen Disziplinen als Folgeprobleme des Medienwandels ergeben.

Von der linguistischen Wende zum medial turn

In der medienphilosophischen Fachliteratur erscheint die schrittweise Hinwendung zum Leitthema Medien als zentrale Herausforderung sowohl für die Philosophie als auch für die Kulturwissenschaften im 21. Jahrhundert. Die aktuelle Transformationssituation wird dabei auf die sprachkritische Wende zurückbezogen, welche das geisteswissenschaftliche Denken und Forschen im 20. Jahrhundert vollzogen hat (Rorty 1975). Auf den linguistic turn folgten in den Kulturwissenschaften im ausgehenden 20. Jahrhundert eine Reihe weiterer Richtungswechsel, wie z.B. der performative turn, der interpretive turn, der iconic turn, der spatial turn sowie der medial turn, die sich auf eine je eigene Weise an der sprachanalytischen Wende abarbeiten.

Reinhard Margreiter zufolge nimmt die medienkritische Wende in diesem Rahmen eine Sonderstellung ein. Aus seiner Sicht begründet der medial turn eine neue prima philosophia, welche als folgerichtige Entwicklung philosophischer Positionen, die von der Transzendentalphilosophie Kants über die Sprachphilosophie hin zur Zeichen- und Symbolphilosophie führt, „eine kombiniert symbolisch-mediale Beschreibung unserer verschiedenen Orientierungssysteme" (Margreiter in Münker et al. 2003, 170) möglich werden lässt. Dagegen warnt Münker vor der Überhöhung der Medienphilosophie zur prima philosophia und plädiert dafür sie als eine dezidierte Bereichs- oder Bindestrichphilosophie zu begreifen (Münker in Münker et al. 2003, 23).

In der medienphilosophischen Debatte dominieren zwei Spielarten des medial turn, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen, welches sich an der Frage entfaltet, ob bzw. inwiefern die Sprache ein Medium ist. Die erste Spielart kann als horizontale Ausweitung des linguistic turn betrachtet werden. Zurückgewiesen wird hierbei die Fokussierung auf Sprache als ausgezeichnetem Ausdrucksmittel für Gedanken. In Anerkennung der Tatsache, dass neben Sprache andere Formen der Formierung und Artikulation von Gedanken zu berücksichtigen sind (Bild, Schrift, Tanz, Theater, Musik u.a.), treten Medien an diejenige Stelle, die vormals der Sprache zuerkannt wurde. Der Medienbegriff dient in diesem Zusammenhang als Oberbegriff für sämtliche menschlichen Ausdrucksmittel, zu denen nicht zuletzt die Sprache zählt. Theoretisch ausformuliert findet sich diese Variante des medial turn bei Matthias Vogel (2001).

Die zweite Spielart des medial turn stellt eine vertikale Überschreitung der linguistischen Wende dar. Der traditionelle Gegenstandsbereich der Sprachphilosophie wird hierbei nicht um andere Ausdrucksmittel erweitert. Vielmehr wird die sprachkritische Perspektive durch eine medienkritische Sichtweise abgelöst, in deren Rahmen die materiellen und technischen Bedingungen der Produktion von Sinn in den Blick kommen. Krämer zufolge lassen sich Medien nicht „in die Erbfolge des sprachkritischen Apriori einrücken" (Krämer 2008, 25). An die Stelle eines transzendentalen Sprachbegriffs treten materielle Verkörperungsformen wie Oralsprache und Schriftsprache. Gefragt wird hierbei nicht nach den Bedingungen der Möglichkeit von Sinn. Dies sei Gegenstand der Zeichentheorie. Hingegen wird eine metaphysische Frageperspektive eingenommen, die hinter den Sinn zurücktritt und die materialen Bedingungen medialer Kommunikation thematisiert (Krämer 2008, 27).

Philosophiehistorisch: Medienreflexion, Medienvergessenheit und Antimedialismus.

In der Medienphilosophiedebatte wird der klassischen Philosophie häufig eine gewisse Medienvergessenheit unterstellt. Diese These wird von Martin Seel kritisiert. Seines Erachtens handelt es sich um eine Legende, welche die Geschichtsvergessenheit derjenigen belegt, die diese Auffassung vertreten. In Platons Phaidros oder in Hegels Ästhetik lassen sich Ansätze zu einer philosophischen Medienreflexion finden, die zwar nicht immer mit zeitgenössischen Positionen in Einklang zu bringen sind, aber dennoch nicht ignoriert werden sollten (Seel in Münker et al. 2003, 14). Ein weiterer Hinweis dafür, dass die pauschal behauptete Medienvergessenheit der Philosophie sich nicht aufrecht erhalten lässt, ist die Anschlussfähigkeit der von Aristoteles in De Anima entwickelten Wahrnehmungstheorie in der zeitgenössischen Mediendiskussion (Alloa 2011).

Obwohl in den klassischen Texten der Philosophie bereits (Einzel)Medien bzw. mediale Vermittlungsvorgänge thematisiert werden, wurden diese noch nicht auf eine Philosophie des Medialen hin entworfen. Eine genuine Auseinandersetzung mit Medien als Medien setzt nach Ansicht Margreiters in der Philosophie erst mit dem Aufkommen der digitalen Medien ein (Margreiter in Münker et al. 2003, 167f.). Philosophiehistorisch kann Medienphilosophie in dieser Hinsicht in die Tradition der Moderne eingerückt werden, in der „die grundsätzliche Mediatisiertheit des menschlichen Daseins bereits in unterschiedlichen Facetten thematisiert" (Hartmann 2003, 295) wurde. Das Denken von Medien vor der Medienphilosophie erscheint aus dieser Perspektive dann als von einem „strikten Antimedialismus" (Hartmann 2003, 298) geprägt.

Dieser tritt auf paradigmatische Weise in Platons Ablehnung von Bildern und in seiner im Phaidros formulierten Schriftkritik zum Vorschein. Medien werden von Platon nicht dahingehend thematisiert, welchen positiven Beitrag sie an den menschlichen Erfahrungs-, Kommunikations- und Erkenntnismöglichkeiten haben. Stattdessen werde sie negativ auf ihre dysfunktionale Mittelbarkeit hin analysiert, die im Fall der Schrift das Gedächtnisvermögen der Menschen schmälert und im Fall von Bildern die Einsicht in das Wesen der Ideen durch illusorische Suggestivkraft gefährdet, die bildlichen Ausdrucksformen innewohnen soll. Der philosophische Antimedialismus zeigt sich aber auch in vermeintlich affirmativen Positionen, wie zum Beispiel den Sprachphilosophien von Humboldt und Saussure. Diese beruhen auf der normativen Privilegierung der Sprache gegenüber anderen Ausdrucksformen, welche mit der Zuschreibung einer transparenten Unmittelbarkeit begründet wird (Jäger 2004, 49).

Begriffsdebatten: Fragen nach dem Medienbegriff

Antimedialistische Positionen beruhen auf einem Medienverständnis, demzufolge Medien die Stellung eines bloß instrumentellen Mittlers einnehmen (sollen). Medien fungieren hierbei als passive Container für die durch sie vermittelten Inhalte. Darum sind Medien diesem Verständnis zufolge immer dann dysfunktional, wenn sie sich im Prozess der Vermittlung bemerkbar machen, sich in diesen einschreiben und die vermittelten Inhalte verändern. Diesem Verständnis steht eine andere Verwendungsweise des Medienbegriffs gegenüber, welche die Eigenleistung von Medien, ihr schöpferisches Potenzial erfassen und erklären will (Krämer in Münker et al. 2003).

Unklarheit herrscht darüber, was genau durch den Medienbegriff bezeichnet wird. So stellen Münker und Roesler in dem Vorwort zu dem 2008 von ihnen herausgegebenen Sammelband Was ist ein Medium? fest: „Fatalerweise meinen die meisten, sie meinten das Gleiche, wenn sie den Begriff Medium verwenden" (Münker/Roesler 2008, 11). Tatsächlich wird der Medienbegriff auf vielfältige und mehrdeutige Weise als Bezeichnung für ein breites Spektrum von Phänomenen gebraucht. Das Begriffsfeld reicht von den traditionellen Massenmedien (Radio, Film, Fernsehen) und dem Internet über Bild, Sprache, Schrift, Tanz, Theater und Musik bis hin zu den sinnlichen Wahrnehmungsmedien (Raum, Zeit, Körper, Sinnesorgane). Aus diesem Grund hat Sandbothe für eine gebrauchstheoretische Bestimmung des Medienbegriffs plädiert, welche die Heterogenität seiner Gebrauchsformen im Alltag und in den Wissenschaften anerkennt. Eine an Wittgensteins Konzept der Familienähnlichkeiten orientierte Analyse lässt unterschiedliche Verwendungsweisen des Wortes erkennen, auf deren Grundlage eine Typologie von Medien entwickelt werden kann, die zwischen sinnlichen Wahrnehmungsmedien, semiotischen Kommunikationsmedien und technischen Verbreitungsmedien unterscheidet (Sandbothe 2001; Sandbothe/Nagl 2005). Gegen diesen Systematisierungsvorschlag ist eingewendet worden, dass dadurch die Frage nach einer begrifflichen Definition von „Medium" bzw. „Medien" nicht beantwortet und die Frage nach der Medialität der Medien unterlaufen wird. Die pragmatisch motivierte Weigerung, den Medienbegriff zu definieren, steht in Einklang mit Positionen, die an der Notwendigkeit und Möglichkeit einer solchen Bestimmung des Medienbegriffs zweifeln (Hartmann in Münker et al. 2003, 140).

Dennoch ist die Frage nach dem Medienbegriff ein zentrales Problem, dem in den aktuellen medienphilosophischen Debatten viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unter der Vielzahl der vorgebrachten Positionen zeichnen sich zwei unterschiedliche Strategien ab, sich dem Medienbegriff zuzuwenden. Auf der einen Seite wird versucht durch die Auseinandersetzung mit dem Begriff den Gegenstandsbereich des Medialen zu umreißen, wohingegen auf der anderen Seite der Medienbegriff von der Medialität der Medien her gedacht wird.

Der Versuch das Feld derjenigen Phänomene zu definieren, die gerechtfertigt als Medium angesprochen werden können, reagiert auf die als beliebig empfundene Offenheit des Begriffs. So erwartet Vogel von einer belastbaren Mediendefinition, dass sie nicht nur die interne Unterscheidung verschiedener Medien, sondern auch und vor allem die externe Abgrenzung von Medien und Nichtmedien gestattet (Vogel 2001, 333). Der von Vogel entwickelte handlungstheoretische Definitionsvorschlag fasst Medien als sozial geteilte Artikulations- und Interpretationspraktiken, die „konstitutive Mittel der Individuierung von Gedanken sind" (Vogel in Münker et al. 2003, 132). Neben der Sprache sind dieser Definition zufolge Musik, Malerei, Tanz und weitere Ausdrucksformen als Medien zu bezeichnen. Techniken, wie z.B. Radio, Fernsehen, Computer und Internet, fallen demgegenüber aus dem Bereich einer sinnvollen Verwendung des Medienbegriffs heraus und werden als mediale bzw. intermediale Werkzeuge beschrieben (Vogel 2001, 350f.).

Bei der Bestimmung des Medienbegriffs anhand der spezifischen Medialität der Medien richtet sich die grundlegende Perspektive auf die Beschreibung des schöpferischen Potenzials von Medien. Dies stellt eine Herausforderung dar, weil sich Medien in ihrem Gebrauch verbergen, sie bleiben unsichtbar, insofern in, durch und mit ihnen etwas vermittelt wird. Hierin besteht ein grundlegendes Merkmal von Medien, die, indem sie funktionieren, gerade nicht zur Erscheinung kommen. Die operative Unsichtbarkeit von Medien bildet die Basis, auf deren Grundlage die unterschiedlichen Beschreibungen des Leistungsvermögens von Medien unternommen werden (Tholen 2002; Krämer 2008; Mersch in Münker/Roesler 2008).

Exemplarisch hierfür steht der von Dieter Mersch entwickelte Ansatz einer negativen Medientheorie, dem zufolge eine erschöpfende Bestimmung der Medialität der Medien unmöglich ist. Aufgezeigt werden können stets nur einzelne Aspekte eines Mediums, die als unabgeschlossene und unabschließbare Aneinanderreihung dasjenige ausmachen, was als das Mediale eines Mediums bezeichnet werden kann (Mersch in Engell/Siegert 2010, 188f.). Vor diesem Hintergrund schlägt Mersch vor, sich den Mit-Wirkungen von Medien an Erfahrung, Kommunikation und Erkenntnis dadurch anzunähern, indem „die Materialität von Übergängen sowie die Praktiken der Verwandlung von etwas in etwas ‚durch' etwas anderes" (Mersch in Engell/Siegert 2010, 201) beschrieben werden.

Dabei gilt es, wie Krämer durchaus in Einklang mit Merschs Position eingefordert hat, dem Impuls zu widerstehen, Medien eine demiurgische Schaffenskraft zuzuschreiben, da der Alltagserfahrung Rechnung getragen werden muss, dass mit Medien etwas vermittelt wird. Medien operieren heteronom, sie sind fremdbestimmt. Paradigmatisch zeigt sich dies am Modell des Boten, der Nachrichten überträgt, ohne sie selbst hervorzubringen. Zugleich schreiben sich Medien in den Prozess der Übertragung ein, indem sie das vermittelte wahrnehmbar machen. Hierhin besteht der Spurcharakter von Medien, an dem sich Krämer zufolge ihre Eigenlogik, die ihnen innewohnende Opazität entziffern lässt (Krämer 2008, 379).

Als problematisch an der Bestimmung von Medien anhand ihrer Medialität erweist sich der damit verbundene generalistische Anspruch, der sich an der zumeist implizit bleibenden Tatsache bricht, dass die vorgebrachten Positionen stets anhand partikularer Medien bzw. medialer Praktiken entwickelt werden. Das Wissen, was als Medium betrachtet werden kann bzw. soll, wird unter der Hand vorausgesetzt, aber nicht explizit gemacht. So bleibt unklar wie sich Sprache, Schrift, Buchdruck, Zeitung, Schreibmaschine, Telefon, Computer etc. als Medien zueinander verhalten.

Anschlussfragen künftiger Medienphilosophien

Medienphilosophie bezeichnet ein offenes Diskursgefüge, in dem vielfältige Probleme erörtert und zum Teil konträre Positionen vertreten werden. Als ein im Entstehen befindliches Forschungsfeld sieht sich Medienphilosophie mit einer Vielzahl ungelöster Probleme und offener Fragen konfrontiert. Eine davon ist die Frage, wie Medien zwischen Sinn, Sinnlichkeit und Technik zu verorten sind. Auch wenn sich Medien möglicherweise einer präzisen Lokalisierung entziehen, besitzt diese Frage im Zeitalter digitaler Medientechnologien besondere Brisanz. Die Frage, inwiefern Computer und Internet die Bedingungen des Medialen und damit des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses verändern, stand am Anfang der Medienphilosophie. Ihre Beantwortung steht noch aus.

Zugleich gilt es den Blick über die Grenzen der deutschsprachigen Medienphilosophiedebatte hinaus zu erweitern. So hat sich im englischsprachigen Raum in Reaktion auf die zunehmende Digitalisierung unserer Lebenswelt die Philosophy of Information etabliert (Floridi 2011). Gerade weil sie die Frage nach Medien nicht explizit stellt, eröffnet die Informationsphilosophie interessante Reibungs- und Anknüpfungspunkte für die medienphilosophische Auseinandersetzung mit den digitalen Medien. Vor diesem Hintergrund kann darüber hinaus auch die Frage nach dem Verhältnis von Medien zu Information und Kommunikation gestellt werden. Diesbezüglich hatte beispielsweise bereits Weber die Frage gestellt, warum nur von Medienphilosophie und nicht auch von Kommunikations- und Informationsphilosophie gesprochen wird (Weber in Münker et al. 2003, 179). Einen Vorschlag, wie sich die drei kulturwissenschaftlichen Grundbegriffe Information, Kommunikation und Medien in einem „triadischen Modell" zusammen denken lassen, hat in der deutschsprachigen Forschung Michael Giesecke vorgelegt (Giesecke 2002). Dieser Ansatz wird jedoch medienphilosophisch bisher nicht ausreichend diskutiert.

Ein weiterer offener Problembereich lässt sich durch die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Medium markieren. Dieses zu klären ist Aufgabe einer noch auszuarbeitenden Medienanthropologie, welche in Anerkennung der Eigenlogik von Medien nach der spezifischen Verfasstheit der menschlichen Subjektivität fragt (Hartmann 2003, 296f.). Ein noch skizzenhafter Vorschlag, der in diese Richtung weist, wurde von Christiane Voss unterbreitet, die gegen die Spaltung von Mensch und Medium für eine Betrachtung anthropomedialer Relationen plädiert, da in „der Verschränkung von Mensch und Medium jeweils spezifische Existenzformen freigespielt werden, die sich auf keine der beiden Seiten dieser Verhältnisse mehr verrechnen lassen" (Voss in Engell/Siegert 2010, 171).

Eine Vielzahl offener Fragen verbindet sich darüber hinaus auch mit dem Verhältnis von Einzelmedien und genereller Medientheorie einerseits und mit der Orientierung an der Kunst oder dem Mainstream andererseits. Die Frage, wie die philosophische Betrachtung einzelner Medien mit der generellen Reflexion von Medialität in Verbindung stehen und wie diese zueinander in Beziehung gesetzt werden können, ist bisher noch nicht hinreichend geklärt worden. Ebenso wenig wurde bisher ausreichend diskutiert, inwiefern die Betrachtung von Kunst den geeigneten Ausgangspunkt für medienphilosophische Reflexionen darstellt oder ob diese Orientierung am Besonderen den Blick für das Normale, für den Mainstream medialer Praktiken verstellt. Eng damit verbunden ist die Frage, welche Rolle Beispiele in medienphilosophischen Argumentationen spielen und welchen Beispielen welcher Status beigemessen wird.

Literatur

Alloa, Emmanuel, Das durchscheinende Bild: Konturen einer medialen Phänomenologie, Zürich: Diaphanes 2011.

Engell, Lorenz und Bernhard Siegert, ZMK Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung: Schwerpunkt „Medienphilosophie", 2, 2010.

Filk, Christian, et al., „Was ist ‚Medienphilosophie' und wer braucht sie womöglich dringender: die Philosophie oder die Medienwissenschaft?: Ein kritisches Forschungsreferat", in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, 29, 1, 2004, S. 39-65.

Floridi, Luciano, The Philosophy of Information, Oxford: Oxford University Press 2011.

Funken, Michael, Jenaer Vor-sätze zu einer Multimedia-Philosophie, Würzburg: Königshausen & Neumann 1996.

Giesecke, Michael, Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft: Trendforschungen zur kulturellen Medienökologie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002.

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Hartmann, Frank, „Medienphilosophische Theorien", in: Stefan Weber (Hrsg.), Theorien der Medien: Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus, Konstanz: UVK, 2003, S. 290-320.

Jäger, Ludwig, „Störung und Transparenz: Skizze zur performativen Logik des Medialen", in: Sybille Krämer (Hrsg.), Performativität und Medialität, München: Fink, 2004, S. 35-73.

Kittler, Friedrich, Grammophon, Film, Typewriter, Berlin: Brinkmann & Bose 1986.

Konitzer, Werner, Medienphilosophie, München: Fink 2006.

Krämer, Sybille, Medium, Bote, Übertragung: Kleine Metaphysik der Medialität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008.

Margreiter, Reinhard, Medienphilosophie: Eine Einführung, Berlin: Parerga 2007.

Münker, Stefan und Alexander Roesler (Hrsg.), Was ist ein Medium?, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008.

Münker, Stefan, et al. (Hrsg.), Medienphilosophie: Beiträge zur Klärung eines Begriffs, Frankfurt a.M.: Fischer 2003.

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Sandbothe, Mike, Pragmatische Medienphilosophie: Grundlegung einer neuen Disziplin im Zeitalter des Internet, Weilerswist: Velbrück 2001.

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Taylor, Mark C. und Esa Saarinen, Imagologies: media philosophy, London: Routledge 1994.

Tholen, Georg Christoph, Die Zäsur der Medien. Kulturphilosophische Konturen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002.

Vogel, Matthias, Medien der Vernunft: Eine Theorie des Geistes und der Rationalität auf Grundlage einer Theorie der Medien, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2001.

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